Mein Hund bellt dauernd
Hilfe, mein Hund bellt dauernd!
(Autor: Univ.-Prof. Dr. Hermann Bubna-Littitz)
Das Problem:
Unser Schnauzer-Yorkshire-Mischling (3 Jahre) ist ein munterer und familienfreundlicher Geselle. Leider bellt er gerne, vor allem, wenn er alleine zuhause bleiben muß, manchmal stundenlang. Auf Anraten des Tierarztes wurde er kastriert - aber ohne Erfolg. Gestern haben wir nun einen anonymen Drohanruf wegen des „unerträglichen Gebells“ erhalten. Kann man unserem „Felix“ das Bellen irgendwie abgewöhnen? Ich wäre Ihnen für einen guten Rat (oder einen Tip, wohin ich mich noch wenden kann) sehr dankbar.
A. Univ.-Prof. Dr. Bubna-Littitz, Veterinärmedizinische Universität Wien, antwortet:
Das häufige Bellen des Hundes, sobald ihn sein Besitzer verlassen hat, führt oft, wie in diesem Fall, zu Problemen mit Nachbarn oder zu Anzeigen. Bei dieser Situation handelt es sich um die sogenannte „Trennungsangst”.
Trennungsangst
Ursache für dieses Verhalten kann eine fehlerhafte Erziehung des Hundes sein: So lange der Hund im Welpenalter ist, steht er meist im Zentrum der Interessen des Besitzers: Er verzichtet auf Kino- und Theaterbesuche, um ja immer bei seinem Hund sein zu können. Auch in der Wohnung wird geduldet, dass der Welpe immer nachläuft. Mit anderen Worten: Der Hund hat nie gelernt, dass er manchmal einige Stunden alleine sein muss. Irgendwann möchte der Hundebesitzer wieder ausgehen. Der Hund ist zum ersten Mal allein und weiss natürlich nicht, dass sein „Frauerl“ oder „Herrl”, sein Rudelführer, wieder nach Hause kommt.
Symptom Bellen
Für ein Wolfsrudel ist es eine bedrohliche Situation, wenn der Rudelführer auf einmal nicht mehr vorhanden ist. Wahrscheinlich hat der Welpe auch gelernt, dass Bellen die Aufmerksamkeit des Besitzers erregt und er damit verschiedenes erreicht: Wenn ich belle, bekomme ich Futter oder es wird mit mir gespielt. Der Hund bellt nun einerseits aus Angst, andererseits um den abhanden gekommenen Rudelführer herbeizuholen. In schweren Fällen kann auch das Zerstören von Gegenständen auftreten: Zerkratzen und Zerbeißen tritt als Übersprungshandlung auf.
Übersprungshandlung
Unter Übersprungshandlung versteht man, dass von einem Verhaltens- oder Funktionskreis in einen anderen „übergesprungen” wird, der mit der momentanen Situation nichts zu tun hat: Vom Suchen nach dem Rudelführer wird in den Verhaltenskreis Ruheverhalten (z.B. Graben einer Schlafgrube auf einem Ledersofa) oder Beutefangverhalten (Zerteilen eines Beutetieres am Ersatzobjekt Ledertasche) „übergesprungen”.
In Zusammenhang mit der Angst beobachtet man häufig Kot- und Harnabsatz bei ansonst stubenreinen Hunden. Der heimkehrende „Rudelführer” wird überschwänglich begrüßt.
Trennungsangst vs. Zerstörungswut
Diese Trennungsangst muß man von der „Zerstörungswut” abgrenzen, bei der die Komponente Angst fehlt. Der Hund zerstört in diesem Fall aus Langeweile das Mobiliar. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die Therapie unterschiedlich anzusetzen ist. Sie tritt längere Zeit nach dem Verlassen des Hundes auf und zwar dann, wenn die normale Ruhezeit während des Tages von 3 bis 4 Stunden überschritten wird, und ist nicht mit Angst verbunden. Der Hund schläft zunächst, er wacht auf, es ist ihm langweilig und er beginnt sich zum Mißvergnügen des Besitzers mit dem Mobiliar zu beschäftigen.
Therapieansätze
Aus diesen Gegebenheiten resultieren die Ansatzpunkte für die Verhaltenstherapie der Trennungsangst:
1.) Es muss die Verknüpfung von Bellen mit etwas angenehmen (z.B. mit Zuwendung) unterbrochen werden. Bellen muss daher ignoriert werden oder es folgt unmittelbar darauf ein Lautzeichen wie beispielsweise „Sitz” oder „Platz”.
2.) Der Hund muss lernen, dass der „Rudelführer wiederkommt. Dies kann man ihm folgendermassen beibringen: Man gibt den Hund zunächst in ein getrenntes Zimmer, während man in der Wohnung bleibt. Beginnt er nun zu bellen oder jaulen, so geht man kurz in das Zimmer und gibt ihm ein Lautzeichen („Ruhig !” oder „Aus!”). Keinesfalls soll man den Hund aus dem Zimmer nehmen, sobald er bellt oder an der Türe scharrt. Damit würde man dieses Verhalten nur belohnen und es würde sich sogar noch verstärken.
In der nächsten Stufe verlässt man die Wohnung für kurze Zeit und dehnt diese Intervalle immer weiter aus. Man muss dabei wirklich so tun, als ob man das Haus verliesse. Vor der Wohnungstür stehen zu bleiben ist sinnlos, da der Hund seinen Besitzer durch die Tür am Geruch erkennt. Vor dem Gehen sollte man sich nicht überschwänglich verabschieden, sondern z.B. nur sagen: „Der Hund muss warten!” Auch die Begrüssung nach der Rückkehr sollte neutral erfolgen, am besten ist es, den Hund zunächst nicht zu beachten, um die Erwartungshaltung zu vermindern.
3.) Wenn die oben angeführten Massnahmen zu keinerlei Erfolg führen, ist der Einsatz von Medikamenten durch den Tierarzt gerechtfertigt.